"Wahre Freundschaft bedeutet nicht, unzertrennlich zu sein, sondern getrennt sein zu können, ohne dass sich etwas ändert.“ Dies hat auch Jesus im Sinn, wenn er in seiner zweiten Abschiedsrede (Johannes 15), deren Fortsetzung am sechsten Sonntag der Osterzeit verlesen wird, über das Bleiben der Jünger in seiner Liebe spricht.
Zuletzt brachte Jesus das Bildwort von Weinstock und Reben an. Nun legt Jesus das Doppelgebot der Liebe aus: Die Liebe zwischen Vater und Sohn ist Vorbild für die Liebe, die zwischen den Jüngern herrschen soll und die er ihnen übertragen hat. Jesus hat den Jüngern das Halten der Gebote und das Bleiben in der Liebe des Vaters vorgelebt. Die Liebe ist sowohl Absicht als auch Ziel, die Gebote Gottes zu halten. Dies bringt Freude, die eine übernatürliche Gabe ist.
Die Freundschaft mit Christus
Es folgen sodann Ausführungen über die Nächstenliebe, die eine gegenseitige Lebenshingabe bedeutet. Jesus setzt dies selbst um mit seinem Kreuzestod. Um die Jünger an diese vollkommenste Liebesform heranzuführen, greift er ein weiteres Motiv auf: die Freundschaft mit Christus. Sie ist ein anderes Bild für das Sein in Gottes Liebe. Der Vater und der Sohn sind eins. Christus ist die Erfüllung der Gebote Gottes in Person. Auf ihn zu hören kommt der Erfüllung der Gottesgebote gleich. Dies vertieft Jesus in der Gegenüberstellung von Knecht und Freund: Während der eine lediglich gehorsam ausführt, was ihm aufgetragen wird, ohne die Pläne und Belange seines Herrn zu erfahren, teilt der andere alles auf hoher Vertrauensbasis.
Die Jünger sind Jesu Freunde, denn dieser hat alles mit ihnen geteilt, was er vom Vater gehört hat. Dass die Jünger diese Freundschaft und somit den ultimativen Vertrauenserweis genießen dürfen, entstammt nicht ihrer eigenen Initiative, sondern Christus hat sie dazu erwählt.
Mit Vers 16 erfolgt eine Anbindung des Bildes an das letzte Evangelium: Die Jünger sind dazu aufgerufen, anhaltende Frucht zu bringen, das Wort Gottes auszustreuen und viele Kinder für die Familie Gottes zu gewinnen. Dieses missionarische Wort stellt die Konsequenz der Sendung Christi vom Vater dar. Fruchtbar können die Jünger nur dann sein, wenn sie in der Liebe Gottes bleiben. Wandelnd in dessen Liebessektor können sie alles erbitten. Es wird ihnen gegeben.
In der Liebe Gottes zu leben, Freundschaft mit Christus zu haben, die Gebote in diesem Bewusstsein zu befolgen, ist nicht nur den Jüngern damals aufgetragen, sondern hallt als Ruf in die heutige Zeit hinein wie ein Echo, das nicht leiser wird und auch die kommenden Zeiten erreicht. Zu lieben mit einer hingebenden Liebe stellt die erhabenste Form der Katechese dar und entfaltet missionarisches Potenzial.
Apostelgeschichte 10, 25-26.34-35.44-48
1 Johannes 4, 7-10
Johannes 15, 9-17
Zu den Lesungen des 6. Sonntags der Osterzeit 2024 (Lesejahr B).
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