Politiker äußern sich nicht aus Versehen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther wusste natürlich, welche Reaktionen folgen, wenn er im großen Interview mit der FAZ verkündet, die Linkspartei Bodo Ramelows in Thüringen sei nicht mit Björn Höckes AfD vergleichbar. Dabei redete Günther keiner möglichen Koalition das Wort, auch wenn das viele Interpreten so deuteten. Er lobte vielmehr ausdrücklich CDU-Chef Friedrich Merz. Trotzdem gab es tags darauf einen Rüffel von CDU-Generalsekretär Linnemann.
Nun legte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst nach. Im WamS-Interview lobte der seinen Partner in Düsseldorf, die Grünen. Aber auch hier wieder: kein böses Wort zu Merz, stattdessen nur Gutes zum neuen Grundsatzprogramm.
Sticheln, ohne wehzutun
Sticheln, ohne wehzutun. Das ist wohl die neue Methode von Günther und Wüst, die als Repräsentanten des liberalen Flügels der CDU gelten. Es ist aber zu einfach, das schlicht als „Merkelismus 2.0“ abzuqualifizieren. Die zwei erfolgreichen Regierungschefs – vor allem Wüst hat in NRW ziemlich gute Umfragewerte – repräsentieren auch das mittigere Lebensgefühl, das im tiefen Westen und im hohen Norden vorherrscht.
Ob das zu den Problemen, vor denen das Land steht, passt, ist eine andere Frage. Beide sind aber offenbar bereit, dieses Klientel bei Laune zu halten. Es sind schließlich ihre Wähler. Die Union insgesamt müssen solche Stellungnahmen nicht beunruhigen. Günther und Wüst sind schließlich mit ihren beiden Ländern wichtige Machtsäulen für die Partei.
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